Die Sache klingt zunächst merkwürdig: Eine einfache Creme mit dem Hormon Östrogen soll das Innere der Vorhaut verdicken und damit das Risiko einer HIV-Infektion für Männer verringern. Diese These stellen australische Forscher um Andrew Pask von der Universität Melbourne im Journal "PLoS One" auf.

Wichtig: Eine medizinische Studie hierzu gibt es allerdings noch nicht. Und falls das Verfahren funktionieren sollte, wäre es keinesfalls ein sicherer Schutz vor einer Infektion mit der tödlichen Immunschwäche, sondern würde allenfalls das Risiko dafür verringern.

Beschneidung erfolgreich

Die entscheidenden Vorüberlegungen der australischen Gruppe beziehen sich auf drei Studien in Afrika. Dabei zeigte sich, dass das Risiko beschnittener Männer für eine HIV-Infektion um bis zu 60 Prozent reduziert ist. Der Erfolg der Studien war so groß, das sie abgebrochen wurden, um allen Teilnehmern die Beschneidung anzubieten. Die Weltgesundheitsorganisation WHO und das Aidsprogramm UNAIDS der Vereinten Nationen empfehlen inzwischen die Beschneidung von Männern im Kampf gegen Aids.

Mit der Vorhaut verschwinden die Langerhans-Zellen, die sich in großer Zahl darin finden. Sie sind Teil des körpereigenen Immunsystems, erkennen auch HI-Viren und bauen sie ab. Wird diese Abwehr mit zu vielen Erregern konfrontiert, werden die Zellen der Viren nicht mehr Herr und transportieren HIV zu den Lymphknoten. Bei Beschnittenen kann das Virus diesen Infektionsweg vermutlich schwerer beschreiten.

Vorhautverdickung statt Beschneidung

Statt die Vorhaut abzuschneiden schlägt die Gruppe um Pask einen anderen Weg vor: Die innere Auskleidung der Vorhaut soll dicker werden, damit das Virus nicht bis zu den Langerhans-Zellen vordringt. In den obersten Hautschichten findet sich viel Keratin, feste, unlösliche Proteine. Sie verleihen auch Federn, Hörnern, Schuppen oder Haaren ihre Festigkeit. Das Hormon Östrogen kann die Keratinschicht auf der Innenseite der Vorhaut verdicken - und tat das es in den Versuchen mit zwei Männern auch.

Schon 24 Stunden nach der ersten Anwendung (0,5 Milliliter Creme mit 500 Mikrogramm Hormon) zeigte sich eine dickere Schicht keratinisierter Zellen an der Innenseite. Dieser Effekt hielt nach dem Absetzen der Creme fünf Tage an, schreiben die australischen Forscher. "Weitere Studien sind jetzt nötig, um festzustellen, ob dies die Langerhans-Zellen vor dem Kontakt mit HIV-Partikeln schützen kann", schreibt Pask. "Wenn die Zunahme der Keratinisierung der inneren Vorhaut dem Eindringen von HIV in den Penis vorbeugen kann, gibt es viel potenziellen Nutzen für diese Behandlung", ergänzt er.

Östrogencreme in Kondomen?

Die Beschneidung lasse häufig einen kleinen Teil der Vorhaut zurück, das Östrogen könnte vielleicht die ganze innere Fläche der Vorhaut verdicken. Auch ließe sich die Creme in Asien einsetzen - die Beschneidung gelte in Indien, China und anderen Regionen Asiens als nicht akzeptabel. Vielleicht könnte die Östrogencreme gar als Gleitmittel in Kondomen eingesetzt werden, um Männer und Frauen zusätzlich zu schützen, heißt es in dem Journal zudem.

Hinweise auf einen möglichen Erfolg gibt es aus Tierversuchen, zitieren die Wissenschaftler. Demnach wurde weiblichen Rhesusaffen ebenfalls eine Creme mit Östrogen in die Vagina gegeben - die Kontrolltiere erhielten Salbe ohne Wirkstoff. Später wurden alle Tiere mit SIV - dem tierischen Gegenstück von HIV - konfrontiert. Nur eines von zwölf hormonbehandelten Tieren wurde infiziert, aber sechs von den acht Kontrolltieren. Auch hier spielte aller Vermutung nach die dickere Keratinschicht eine Rolle.

Quelle: PLoS One, medline, N-TV u.a. Juni 2008

Weitere Informationen bei DeaM zum Thema AIDS: Krankheitsbild AIDS und Immunschwäche


 
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